Archäologie

Nicht nur in Stiftsarchiv und Stiftsbibliothek finden sich Spuren der über 1400-jährigen Geschichte St.Gallens, sondern auch im Boden. Archäologische Ausgrabungen geben Auskunft über den Beginn der Besiedlung, über die Ausdehnung von Kloster und Stadt, über die frühe Baugeschichte und über Leben und Sterben der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner. Ziel der Archäologie ist aber nicht, möglichst viel auszugraben, sondern die noch vorhandenen Schichten und Funde möglichst im Boden zu erhalten. Künftige Generationen sollen mit ihren stark verbesserten Methoden auch noch an der Geschichte des UNESCO-Welterbes forschen können. Im Boden ruht also ein wichtiger Schatz für die Zukunft!

Die Kantonsarchäologie St.Gallen begleitet und dokumentiert seit 2009 alle Bodeneingriffe im Stiftsbezirk und der Altstadt. Mit modernen Methoden (Bodenradar) wurde zudem der Untergrund des Klosterhofs zerstörungsfrei untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass noch viel Geschichte im Boden steckt.

Bedeutende Ausgrabungen fanden 1963–1967 im Zusammenhang mit der grossen Restaurierung der Kathedrale statt. Dabei traf man auf Spuren der frühen Eremitensiedlung, der Klosterkirche von Otmar, der grossen Gozbert-Klosterkirche aus dem 9. Jahrhundert und auf Reste der gotischen und barocken Umbauten. Als besondere Funde sind die karolingerzeitlichen Kapitelle der Gozbert-Kirche zu erwähnen. Sie sind im Gewölbekeller der Stiftsbibliothek ausgestellt, zusammen mit Resten des gotischen Chorgewölbes und des Bibliotheksbaus.

1998 schnitt man im Zusammenhang mit der Sanierung des Pfalzkellers auf dem kleinen Klosterhof einen Friedhof an, der vom 7. bis ins 11. Jahrhundert belegt war. Die geborgenen Skelette liefern Einblick in die gute Versorgung der Angehörigen des Klosters. Das Mordopfer aus Grab 13, dessen Geschichte anhand anthropologischer und gerichtsmedizinischer Untersuchungen rekonstruiert werden konnte, ist im Historischen und Völkerkundemuseum ausgestellt.

Im Rahmen der Neugestaltung der südlichen Altstadt (2009–2013) fanden zahlreiche archäologische Untersuchungen und Ausgrabungen statt. Besonders zu erwähnen ist der 2009 auf dem Klosterhof entdeckte Steinsarkophag aus dem 7. Jahrhundert. Er lag direkt neben der ersten, für Gallus errichteten Kapelle. Der einzigartige Sarkophag und der rekonstruierte Kopf des Toten sind im Historischen und Völkerkundemuseum zu sehen. Zum bedeutenden Fund entstand ein Kurzfilm.

Die neue Signaletik im Stiftsbezirk enthält auch Hinweise auf diese wichtigen archäologischen Fundstellen. Auf dem nahe gelegenen Gallusplatz fanden 2011–2012 grössere Ausgrabungen statt. Dort wurde eine dichte Bebauung festgestellt, darunter auch ein Rundbau aus dem 8. Jahrhundert. Sein Standort ist heute mit einer Bronzeplakette markiert.

Martin Schindler, Kantonsarchäologe

Weiterführende Links:
www.sg.ch/kultur/archaeologie.html
www.hvmsg.ch

Ausgrabungen/Fundstellen im Stiftsbezirk
1 Ausgrabungen Kathedrale (1963–1967)
2 Ausgrabungen kleiner Klosterhof (1998)
3 Fundstelle Sarkophag (2009)
4 Ausgrabungen Gallusplatz (2011–2012)


Klosterhof St.Gallen, der Sarkophag vor den Klostertürmen im Oktober 2009, Foto: Reto Martin, St.Galler Tagblatt

Klosterhof St.Gallen, der Sarkophag vor den Klostertürmen im Oktober 2009, Foto: Reto Martin, St.Galler Tagblatt

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